Der andere Blick - unter diesem Motto steht die Gemäldeausstellung von Gertrud M. Geiges; sie gibt einen Überblick oder besser einen Ausblick über das Schaffen der Künstlerin während der letzten zehn Jahre.
Der andere Blick - darunter verstehe ich Ihren persönlichen Blick, die Auseinandersetzung. Was sagt das Bild, öffnen Sie sich für einen Dialog? Tauschen Sie Ihre Empfindungen aus? Geht ein Bild in Tiefendimension, wie wenn Ihr eigener ganz persönlciher Blick sich im Spiegel trifft und dort etwas geschieht, was mit dem Entdecken von Unbekanntem zu tun hat?
Dann beginnt ein Prozess der Befragung des Bildes, seine Entschlüsselung.
Der andere Blick - damit ist auch die Position der Künstlerin gefragt.
Originalität und Kreativität sind für Gertrud Geiges nicht ausblendbare, nicht verzichtbare Elemente.
Ihre Kreativität zeigt sich in ihrem gestalterischen Schaffen, in ihren Bildern und im Verborgenen in ihren Skulpturen, die nicht Gegenstand dieser Ausstellung sind.
Der schöpferische Ausdruck, die Kreativität ist geprägt durch ein Spiel zwischen Persönlichkeit und Einzigartigkeit einerseits und Stilmitteln, Materialien, Ereignissen, Menschen und Umständen andererseits.
Das ist der Nährboden ihrer Kunst.
Wenn Sie die Bilder betrachten, einen Dialog beginnen, vielleicht geschieht dann etwas, so dass Sie in Ihrem Innern ausrufen könnten:
- das ist es
- ich hab es gefunden oder
- gerade das wollte die Künstlerin ausdrücken
aber auch
- was meint die Künstlerin?
- hab ich es verstanden?
- das Bild erschließt sich mir nicht
Um sich so in Formen und Farben der Bilder hineindenken zu können, nehmen Sie sich Zeit, die Bilder gründlich und geduldig anzusehen.
Gertrud Geiges wird mich verstehen, dass das Schaffen eines künstlerischen Produktes mit dem Gefühl des Alleinseins verbunden sein kann. Wie oft wird sie gedacht haben:
- wo stehe ich mit meiner Kunst?
- bin ich allein mit der Art und Weise meines schöpferischen Tuns?
Die Ausstellung bietet die Möglichkeit, das Alleinsein zu überwinden, sich zu vergewissern, dass Menschen Anteil nehmen und als Auszeichnung das Schauen der Bilder als besonderes Geschenk wahrnehmen.
Der andere Blick - führt auch in die Welt der Metamorphose - so der Bilderzyklus über die Verwandlung bis hin zum Insekt - eines der großen Wunder unserer Schöpfung. Verwandlung als schöpferischer Prozess geschieht in dem Zyklus klar und direkt.
Aber das Metaphorische zeigt sich auch in weiteren Bildern der Künstlerin.
So z.B. im Gemälde "der grüne Akt".
Ein Frauenkörper, der eins ist mit dem umgebenden gelb-grünen dunstigen Hintergrund mit aufblitzenden minimalistischen orangenen Farbtönen.
Der Körper ist nicht das, was gemeinhin als menschlicher Körper geschaut und verstanden werden will. Daran hat die Küsntlerin keinerlei Interesse, sondern daran, was der Körper empfindet, was er im gegebenen Augenblick gerad tut.
Der Frauenkörper ist verwandelt, umgestaltet, ahnungsvoll wie geheimnisvoll.
Die Bilderwelten der Künstlerin Gertrud Geiges führen zu seltsamen Orten. In verschiedener Hinsicht können es ganz gewöhnliche Orte sein. Aber über allem schwebt eine große Stille. Und dies trotz des Szenenwechsels, der zu einer verwirrenden Erfahrung führen kann.
Ich wünsche Ihnen beim Gang durch die Ausstellung ein offenes Auge für:
das Geheimnisvolle, das leuchtende Spiel der Farben
- Rot zu Blau
- Gelb zu Grün und Orange.
Farben, die wie hinter einem Nebelvorhang schimmern.
Ein Pinselstrich, der dem Bild eine überraschende Note gibt.
Das Nachvollziehen des Schrittes aus der zweidimensionalen Fläche in die dritte Dimension, die das Bild als Objekt erscheinen lässt.
Und schließlich das Entdecken des Verborgenen.
- Siegfried Braun, 18.11.2013